Wellensegelflug südlich und südöstlich von Bad Gandersheim am 6. November 1977
[Jörg Dummann (1977)]

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Am Sonntag, den 6.11.77 morgens, bläst der Wind recht kräftig aus Südwest. Wellenerscheinungen waren bis dahin nur bei wesentlich schwächerem Wind aufgetreten, nämlich bei 4 - 6 m/s. Nun haben wir aber um die 12 m/s. Deswegen hoffe ich also nur, daß die SW-Hänge tragen würden, so daß ich meine langersehnten "Fünfstunden" fliegen kann.

Ich starte um 10.36 (MEZ) als erster mit unserer K 8 und fliege auf dem gewohnten Flugweg vor - auf der östlichen Seite des Einschnittes zwischen Sebexer und Kreiensener Hang. Dort stelle ich erhebliche Turbulenz fest. Diese Turbulenz stört offenbar den Hangaufwind in einem solchen Maße, daß kein Flugzeugsteigen möglich war. Auf dem Rückflug zum Platz versuche ich das in den Turbulenzen vorhandene Steigen (bis etwa 2 m/s) im Kreisflug mit großer Querneigung auszukurbeln. Dies ist aufgrund des zerrissenen Aufwinds und der großen Fahrtschwankungen nicht möglich. Die Landung erfolgt, nach sieben Minuten Flugzeit, um 10.43 (MEZ).

Bei meinem nächsten Start um 11.08 (450 m Ausklinkhöhe GND EDVA) fliege ich nicht entlang des oben beschriebenen Taleinschnittes zu dem Hang vor, sondern weiter östlich direkt über den Hangrücken. An anderer Stelle des Hanges (vermutlich weiter östlich) treffe ich dann auf gleichförmiges Steigen . Der Wind ist hier so stark, daß ich die K 8 mit 50 km/h in ruhigem Steigen ortsfest über Grund fliegen kann. Das Steigen wird erst in 800 m (GND) schwächer. Nun in der Gewißheit in einem Wellenaufwind zu fliegen, fliege ich - über Grund mühsam - gegen den Wind vor. Das schwache Steigen von ungefähr 20 cm/sec bleibt bei und verliert sich erst kurz vor dem Westerberg (östlichster Ahlshausener Hang) südlich von Sebexen. Nun lasse ich mich langsam, dem Talverlauf nach Westen folgend, versetzen. Etwas westlich von Opperhausen (etwas westlich des Einschnitts zwischen Kreiensener und Sebexer Hang) läßt das Steigen nach. Ich fliege zurück zum Sebexer Hang, wo ich vor dem engen Taleinschnitt zwischen dem Sebexer- und dem Autobahn-Hang wieder schnell an Höhe gewinne. Vielleicht verstärkt der Einschnitt den Aufwind durch Düsenwirkung. Später erreiche ich in der Mitte des Tales segelnd eine Höhe von 2.200 m. Inzwischen haben sich auch andere Segelflugzeuge unseres Platzes zu mir gesellt. Einige sehe ich unter mir; nur wenig tiefer unseren Kranich III und auf gleicher Höhe unsere K 6 und die Göttinger SF 27.

Dann aber reißt die hohe Wolkendecke auf und große sonnenbeschienene Flächen wandern auf dem Erdboden heran. Ich gerate nun in schwaches Fallen. Ich entscheide mich, in Richtung Harz zu fliegen, wo noch Schatten ist. Auf der Strecke aber verliere ich ständig Höhe, bis auf 1.800 m. Die anderen sehe ich im Westen, von wo ich ja gekommen bin, noch fast in der alten Höhe. Es muß also dort doch noch besser gehen! Ich fliege dennoch bis über die Autobahn vor, wo ich mit 50 km/h ortsfest einen Nullschieber halten kann. Nach einiger Zeit stelle ich durch einen routinemäßigen Blick auf den Höhenmesser fest, daß ich inzwischen um gut 100 m gestiegen bin. Das Steigen ist so schwach, daß es auf dem in der K 8 eingebauten 10 m-Vario erst bei genauestem Hinsehen zu erahnen ist. Manchmal kann ich das Steigen auf 0,5 m/s verbessern - im Durchschnitt mögen es ungefähr 0,1 m/s sein. So bin ich bald wieder auf der vorherigen Höhe von 2.200 m. Bei 2.300 bis 2.400 m durchsteige ich leichte Wolkenschleier. Nur manchmal sehe ich andere Flugzeuge tief unter mir. Im Funk höre ich, daß auch sie Steigwerte um 0,1 m/s haben. Leider kann ich sie wegen eines Defekts des Funkgeräts nicht über meine Position und Höhe informieren. In der Sonne segelnd steige ich nun langsam immer höher. Eine Wolkendecke zieht unter mir heran - strahlend weiß und eben, nur leicht gewellt. Ich habe aber noch Erdsicht.

Dann bemerke ich irgendetwas rechts im Augenwinkel; Ich hatte vorher auch noch nie etwas von der Existenz dieses Phänomens gehört: Schräg unter der rechten Fläche, scheinbar in den Wolken, ist ein doppelter konzentrischer Regenbogen, in dessen Mittelpunkt der Schatten meines Flugzeugs über den Wolkennebel zieht! Ich traue kaum meinen Augen. [Diese Erscheinung ist bekannt unter dem Namen "Brockengespenst", weil vermutlich erstmals Wanderer auf dem sonnenbeschienen Gipfel des Brockens, gerade dem Nebel der aufliegenden Wolken entsteigend, mit diesem Phänomen konfrontiert wurden. Nur sahen diese natürlich nicht den Schatten eines Flugzeuges, sondern die Umrisse einer rätselhaften menschlichen Gestalt - ihres eigenen Schattens.]

Ich bin inzwischen auf 2.800 m (GND) gestiegen, teilweise mit einem Steigen von 0,7 m/s. Die Wolkendecke unter mir ist nun fast geschlossen - Geländemarken kann ich nicht mehr erkennen. Bei 2.850 m - um ungefähr 14.00 Uhr (MEZ) fahre ich dann die Klappen aus und durchsinke die nur geringmächtige Wolkendecke in engen Kreisen. Dabei werde ich deutlich versetzt. In 2.200 m fliege ich gegen den Wind vor und steige dann weiter ab auf 1.800 m. In dieser Höhe treffe ich die Göttinger K 7. Beim gemeinsamen Vorfliegen ist kein Steigen mehr vorzufinden. Ich bin aber bald wieder allein, da die K 7 beim Vorfliegen Vorteile hat. Unter ständigem Höhenverlust fliege ich zum Sebexer Hang, an dem ich mit 1.500 m angelange. In ungefähr 600 m Höhe beginnt der Hang zu tragen. Der Aufwindstrom ist recht turbulent. Schließlich beginnt es in Schauern zu regnen. Das Herannahen dieser ganz anders gearteten, labilen Luftmasse mag auch das Zusammenbrechen der Welle bewirkt haben.

Die verbleibende Stunde für meine "Fünfstunden" schrubbe ich dann in 500 - 600 m mit vier anderen Maschinen am Hang. Ich hänge schließlich noch eine halbe Stunde dran, weil ich meine genaue Startzeit vergessen habe. Später im Queranflug auf die 18 gerate ich in solche Turbulenz, daß ich die K 8 einige Male nur mit gedrücktem Knüppel und vollen Quer- und Seitenruder wieder aufrichten kann. In ungefähr 15 m Höhe über der Platzkante und ausreichender Fahrt fahre ich nach alter Gewohnheit die Bremsklappen voll aus. Danach habe ich gerade noch Zeit den Knüppel an den Bauch zu ziehen und setze so recht hart auf Rad und Sporn gleichzeitig auf (Landezeit: 16.38 Uhr MEZ). Nur dadurch wurde ein Knicken des Rumpfes vermieden. Glücklicher über den verhinderten Bruch als über den Flug steige ich aus.